Themenfokus „Matriarchat – heute?“


 

Der Titel „Matriarchat – heute?“ provoziert. Und gibt hoffentlich Denkanstöße. Für TERRE DES FEMMES basiert Gewalt gegen Frauen auf keiner Religion, sondern auf dem Jahrtausende alten Patriarchat. Die Abschaffung von Gewalt gegen Frauen und Menschen allgemein ist sicher nicht dadurch zu erreichen, dass wir im gleichen System Männer durch Frauen ersetzen. Die Herausforderung besteht darin, andere Arten von Gesellschaften zu erdenken. Gesellschaften, in denen „Herr“schaft in Frage gestellt wird und „Macht“ausübung bedeutet, verantwortlich zu sein, zu „machen“, dass diese Gesellschaften Männern und Frauen gerecht werden können.

Was können uns matriarchale Gesellschaften, die angeblich vor mehr als 5000 Jahren weltweit verbreitet waren, lehren? Erstaunlicherweise existieren einige davon bis heute. Ethnologische Filme aus Amerika, Asien und Afrika geben auf dem Filmfest vielseitige Einblicke und werden von Filmemacherinnen vorgestellt, die diese faszinierenden Kulturen hautnah erleben konnten. Einführung in das Thema bietet ein Kurzvortrag und der Film von Gordian Troeller über das drei Millionen Volk der Minangkabau in Sumatra, das sich sogar in einer entstehenden Industriegesellschaft weiterhin matriarchal organisiert.

Beeindruckend werden in den verschiedenen Filmen besondere Merkmale aufgezeigt: keine Akkumulations- sondern Umverteilungsgesellschaften, welche politische Entscheidungen im Konsens treffen, wo die Geschlechter unterschiedliche Funktionen haben, aber gleich geachtet werden, wo schwache und alte Menschen besonders berücksichtigt werden; wo es keine Kriege gibt, noch Konflikte gewalttätig ausgetragen werden, und wo Naturreligionen einen achtungsvollen Umgang mit der Natur mit sich bringen.

Dabei geht es uns nicht darum, ob dies Matriarchate in „Reinform“ sind oder nicht. Wichtig ist uns, eine andere Lebensform zu betrachten und darüber reflektieren zu können. Denn unsere Fragen führen weiter: was können wir von diesen Ausgleichsgesellschaften für die Herausforderungen unserer heutigen Welt lernen, was können speziell Frauen zu Lösungen beitragen? Was zu den Fragen von Krieg und Frieden, Gewalt gegen Frauen und Kinder, Schere zwischen Arm und Reich, Umweltzerstörung und Finanzkrise? Diese Themen durchziehen auch weitere Filme unseres Programms. Und so zeigen wir als Teil des Thementages „Matriarchat – heute?“ auch den Film über die Frauen, die das Ende des Bürgerkrieges in Liberia erzwangen, allen voran unser couragierter Gast aus Liberia, Leymah Gbowee – als eine der möglichen Antworten auf die Frage: Können Frauen tatsächlich friedliche Gesellschaften vorantreiben, auch wenn sie keine formale Macht haben?