Rückblick 2009 - Leymah Gbowee – Podiumsgespräch mit Friedensforscherinnen


 

„Frauen kämpfen für Frieden und gegen sexualisierte Gewalt in Afrika
– und die internationalen Medien schauen gezielt weg...“


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Publikumsgespräch mit Leymah Gbowee und Experten der Friedens- und Konfliktforschung und –pädagogik am Montag, 23. November 2009 nach der Vorführung des Films „Pray the Devil Back to Hell“ von Gini Reticker im Kino Arsenal.

Die Journalistin und entwicklungspolitische Expertin Sabine Freudenberg moderierte das Podiumsgespräch. Sie befragte Leymah, welches die Strategien waren, die den Frauen ermöglichten, ein solch aussichtsloses Unterfangen wie den Bürgerkrieg in Liberia zu beenden, erfolgreich durchzustehen

Leymah führte aus, dass zum einen das Leben all dieser Frauen von so viel grausamer Gewalt geprägt war, dass sie nichts mehr zu verlieren hatten, dass sie jedoch für ihre Kinder eine gewaltfreie Zukunft schaffen wollten.

Sie beschrieb dann eloquent, wie sie es geschafft hatte, die gegenseitigen Vorurteile von christlichen und muslimischen Frauen in Workshops zu beseitigen, und die Basis für eine gemeinsame schwierige Arbeit zu legen. Dass sie jedoch auch an die religiösen Eliten herantraten, damit diese ihren Kampf unterstützten.

Die beiden Friedensforscherinnen des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Tübingen, Sophia Benz und des Instituts für Friedenspädagogik, Nadine Heptner ihrerseits zeigten sich von diesem Beispiel an praktischer und kreativer Friedensstiftung beeindruckt und knüpften an ihre eigene Arbeit an: dass es, egal um welche Religion es sich handelt, teilweise sehr positive Beispiele für religiöse Akteure gäbe, die friedensstiftend gewirkt hätten in Konflikten; es gäbe aber auch - eigentlich für jede Religion - Beispiele wo religiöse Akteure Konflikte geschürt und einen sehr negativen Einfluss bei der Eskalation von Gewalt gespielt hätten. Deshalb würde an ihrem Institut die Frage untersucht, unter welchen Umständen Religionen sich in Konflikten instrumentalisieren lassen für politische Zwecke, oder andererseits friedensstiftend sein können. Dass Leymahs Beispiel ein gelungener Beweis dafür sei, wie man Konflikte in Begegnungen wie die der christlichen und muslimischen Frauen bearbeiten kann, und ganz bewusst initiiert. Und gerade das wolle die Fridenspädagogik leisten: solcherartige Begegnungen der Konfliktbearbeitung bewusst zu initiieren.

Leymah wies dann darauf hin, dass wahrscheinlich eher die Theorie abschreibt davon, was die tatsächlichen Akteure in der Praxis entwickeln, nicht umgekehrt: dass die Akteure wissenschaftliche Arbeiten lesen über Friedensstiftung, und diese dann in die Praxis umsetzen würden. Dass jedoch oft Instanzen wie die UNO dieses praktische Wissen nicht anerkennen, auch nicht nutzten, und deshalb meistens in ihren Friedensmissionen scheiterten.

Die bewegten ZuschauerInnen hatten viele Fragen: über die Intergration der Ex-Kindersoldaten in die Gesellschaft, die Arbeit der Präsidentin und die Herausforderungen für Leymahs panafrikanisches Friedensnetzwerk von Frauen, WIPSEN.

Leymah konnte in Kürze die Antworten auf den Punkt bringen: sie sei sehr zufrieden mit der Arbeit der Präsidentin, seit diese auch begonnen hätte, das lokale, das praktische Wissen der Akteure der Friedensbewegung, der Frauen zu nutzen und zu respektieren. Dass es den Ex-Kindersoldaten zum größten Teil nicht sehr gut gehe im Nachkriegs-Liberia, dass sie jedoch auch mit einem kleinen Prozentsatz dieser Ex-Soldaten gearbeitet habe, und einige sich inzwischen in der Friedensarbeit engagierten und auch ihr Leben wieder in den Griff bekommen hätten.

Und zu den größten Herausforderungen für WISPEN: „Es gibt anscheinend einen Backlash gegen die erstarkte Macht der Frauen, d.h. immer wenn Frauen politisch-öffentlich wirksam auftreten, wird gegen sie hart durchgegriffen, das war in Guinea-Conakry zu beobachten wo Frauen nach Demonstrationen beschossen und öffentlich vergewaltigt wurden und ebenso in Simbabwe, wo WIPSEN angefragt wurde, unsere Erfahrungen dort einzubringen, was hoffentlich kommendes Jahr geschehen wird.“

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Fotos: Monika Michell